Es war ein absolutes Highlight.
Die Rolling Stones eröffneten ihre No Filter Europatournee in Hamburg.
Über 80.000 wollten sich das nicht entgehen lassen, trotz des Geredes über die hohen Eintrittspreise und den ewigen Diskussionen, ob es die alten Herren noch bringen und sie es noch wert seien. Für mich war es jeden Euro, jeden Cent wert … und ich würde es nochmal tun.
Klar, es gibt Gitarristen, die spielen besser als Keith Richards oder Ron Wood. Die Einsätze hauen das eine oder andere Mal gerade so eben hin und auch ein Schluss wird mal vergrützt – vor 80.000, wie sympathisch!
Wenn die Maßstäbe der gängigen Castingshows wie DSDS gelten würden, wären die Stones über die erste Runde nicht hinausgekommen. Aber darum geht es nicht…
Diese Tour der Stones ist mehr, ist anders. Keine Jubiläumstour. Ein Konzert, kein Event. Vier alte Männer auf der Bühne, die Musik machen, die nichts und niemandem mehr etwas beweisen müssen und sichtlich Spaß haben an dem, was sie machen. Dass bei den Stones alles immer eine Nummer größer ist, wollen wir doch eigentlich nicht anders. Trotzdem, es war eine relativ schlichte Bühnenshow. Ein paar Lichteffekte und ohne die großen Monitorwände geht es bei der Menge an Leuten nicht; keine aufwändigen Filme und Projektionen, ein bescheidenes Feuerwerk zum Abschluss. It’s only Rock’n’Roll (&Blues). Authentisch mit jedem Ton, das spürt jeder der Anwesenden.
Authentizität ist etwas, was in der heutigen Zeit und Gesellschaft verloren zu gehen droht. Alles wird glatt gebügelt, es geht um Aufmerksamkeit und Perfektion mehr als um Inhalte und Überzeugungen.
Zwar sind auch die Stones bei allem was sie machen auf ihre Art perfekt und höchst professionell, aber es ist bei ihnen das perfekte imperfekte, das die Faszination ausmacht. Uncle Keith hat so einiges an falschen Tönen von sich gegeben, aber: So what!? Scheiß drauf, denn darum geht es nicht. Die Stones muss man mit anderen Maßstäben messen.
They mean something, begleiten durch‘s Leben, Erinnerungen, Momente, Stimmungen. Und blieben sich immer treu.
Und es schließt sich ein Kreis. Wieder zurück von dort, wo es angefangen hat. Die zwei Bluesnummern auf dem Konzert, die letzte Platte: kein Bombast, sondern reduziert, essentiell, authentisch. Man nimmt es Ihnen ab.
Es ist wahrscheinlich (diesmal wohl wirklich) das letzte Mal, dass sie nach Hamburg kamen. Und der Grund für 82.000 da sein zu sein ist, sie zu feiern, noch einmal dabei zu sein und auch dankbar für das zu sein, was sie gegeben haben und noch geben. Rock’n’Roll gnadenlos durchgezogen bis zum Schluss. Alles Klischees, aber irgendwo kommen auch die her, sonst gäbe es sie nicht.
Und wohl ist es auch die Angst vor einer gewissen Leere und dem Verlust des rebellischen in ungewissen Zeiten zwischen Wut, Ohnmacht und Hoffnung, wofür die Stones bereits vor knapp 50 (!) Jahren mit Gimme Shelter den Soundtrack par exellence geschrieben haben. An Aktualität hat all dies nichts verloren.
Gimme Shelter
Oh, a storm is threat’ning
My very life today
If I don’t get some shelter
Oh yeah, I’m gonna fade away
War, children, it’s just a shot away
It’s just a shot away
War, children, it’s just a shot away
It’s just a shot away
Ooh, see the fire is sweepin‘
Our very street today
Burns like a red coal carpet
Mad bull lost its way
War, children, it’s just a shot away
It’s just a shot away
War, children, it’s just a shot away
It’s just a shot away
Rape, murder!
It’s just a shot away
It’s just a shot away
The floods is threat’ning
My very life today
Gimme, gimme shelter