Video- oder Webinterviews werden in der qualitativen Marktforschung regelmäßig durchgeführt. Wie bei vielen anderen ‚digitalen‘ methodischen Ansätzen stellen sie oftmals eine sinnvolle Erweiterung des Methodenspektrums dar, ersetzen aber nicht klassische Methoden qualitativer Marktforschung.
In einer Studie wurden die Wirkungen und Auswirkungen von Videointerviews bei Vorstellungsgesprächen (siehe hier) untersucht.
Die Ergebnisse dieser Studie decken sich mit meinen persönlichen Erfahrungen; weniger bei Vorstellungsgesprächen, sondern bei Interviews via Video (z.B. Skype).
In einigen Fällen mag es als Alternative ja interessant sein, generell aber gehen, wenn als Alternative zu den sogenannten IDI’s (indepth interviews = Tiefeninterviews) gedacht, in Videointerviews wesentliche Dimension verloren, die ein persönliches Gespräch und damit Verständnis bzw. Verstehen des Gegenüber ausmachen – die wirklich authentischen Momente, das, was im Raum ist und an non-verbalem Verhalten, Stimmungen und Gefühlen von den Gesprächspartnern ausgesendet wird.
Diese Aspekte ermöglichen erst eine ganz eigene und profunde Gesprächsdynamik, die meiner Ansicht nach in dieser Form über Video-Interviews nicht oder nur in begrenztem Maße möglich ist.
Video mag praktisch sein, aber es steht auch immer eine mehr oder weniger sicht-und spürbare Wand zwischen den Beteiligten; wahrscheinlich stark beeinflusst durch die Unsicherheit darüber, wie man sich vor der Kamera am besten verhalten sollte, muss bzw. verhält. Und über eine latente Unsicherheit und Schwierigkeit darüber, wie man den Gegenüber konkret einschätzt.
Das Verhalten wird durch das Medium in bzw. über das das Gespräch geführt wird mitbestimmt und beeinflusst. Heißt das in der Konsequenz, dass ein ‚Audio-Interview‘ die bessere Alternative zu Video wäre? Nun, zumindest bin ich immer wieder über die hohe Qualität von Telefoninterviews überrascht.
Irgendwie ist das Ergebnis der Studie aber auch Ausdruck der Tatsache, dass vielen neuen Trends hinterher gelaufen wird, sie gehyped werden, ohne das wirklich reflektiert und zu Ende gedacht wird; ich gebe zu, teilweise bedarf es natürlich auch der entsprechenden Erfahrung mit einer Technologie/einem Tool, um zu einem abschließenden Urteil zu kommen.
Als qualitativer Marktforscher mit einem Interesse, jeden einzelnen Probanden wirklich genau zu verstehen, halte ich neueste Technologien zwar für sinnvoll und prinzipiell gut, ihr Einsatz muss aber je nach Projekt und Anforderung genau überdacht werden.
Bei der qualitativen Marktforschung steht immer der einzelne Mensch im Mittelpunkt und das Verstehen, was diesen Menschen bewegt, motiviert, anspricht.