Oft werde ich von Kunden gefragt, wie ich mit dominanten Teilnehmern in Gruppendiskussionen umgehen würde. Mit Personen, die aufgrund der Art ihres Auftretens und/oder der Art und Häufigkeit ihrer Beiträge das Meinungsbild und den Fluss einer Gruppendiskussion beeinflussen könnten.
Dies ist ein hartnäckiges und nie ganz von der Hand zu weisendes Vorurteil gegenüber der Methode der Gruppendiskussion. Natürlich kann es Leute geben, die eine Gruppe ‚sprengen‘ können. Ich persönlich erlebe dies allerdings äußerst selten. Vielleicht, weil die jahrelange Erfahrung im Umgang mit Gesprächsrunden eine Art Vorwarnsystem erzeugt, welches hilft, schon früh ‚Symptome‘ auszumachen, die auf ‚schwierige‘ Diskussionsteilnehmer hinweisen könnten.
Im Ablauf einer Gruppendiskussion kann man aber auch durch das Einhalten eines bestimmten Prozederes ein gewisses Maß an Kontrollmöglichkeiten schaffen, die einem einen ersten Eindruck über die Teilnehmer vermitteln.
- Alle Teilnehmer betreten den Diskussionsraum gemeinsam. Ich halte es nicht für gut, Teilnehmer bereits im Diskussionsraum zu platzieren, bevor die Gruppe beginnt. Zwar kann man durch den Spiegel die Teilnehmer bereits in einer Situation beobachten, in der diese sich unbeobachtet wähnen, viel interessanter ist es aber (zumindest für mich), beim gemeinsamen ‚Einmarsch‘, die Teilnehmer und ihr Verhalten dabei beobachten zu können.
- Beobachtung: wie wählen die Teilnehmer ihren Sitzplatz aus. Hier gibt es ganz unterschiedliche Typen: einigen ist (scheint) es egal, wo sie sitzen, andere sind sehr zielstrebig, manche wollen ganz bewusst nicht in der Nähe des Moderators sitzen, wieder andere hingegen suchen sich einen strategisch günstigen Platz, von dem aus sie das Geschehen am besten unter Kontrolle zu haben scheinen. Diese Beobachtung gibt einen ersten Eindruck auf die Persönlichkeit des Teilnehmers, weil in der Wahrnehmung die Gruppe im ‚eigentlichen‘ Sinne noch nicht begonnen hat und die Teilnehmer sich in diesem Moment noch so geben, wie sie sind.
- Bei der Einleitung: direkten Blickkontakt gleichmäßig auf alle Teilnehmer verteilen. Zusehen, wie Leute auf einen direkten Blickkontakt reagieren, gibt Aufschluss über die Person. Man darf nicht vergessen, dass man als Moderator immer wieder auf’s Neue neue Menschen kennenlernt und diese schnell einschätzen lernen muss.
- Vorstellungsrunde: lass’ sie reden! Die ersten 10 Minuten sind entscheidend für den weiteren Verlauf der Gruppe. Die Vorstellungsrunde gibt zum ersten Mal jedem einzelnen Teilnehmer die Möglichkeit, etwas über sich zu erzählen. Sehr schnell merkt man, wer dies eher schüchtern und zurückhaltend macht und nur wenig persönliches erzählt oder hiermit keine Probleme hat. Durchaus kann man, nach Gefühl, auch alternative Formen der Vorstellung anwenden; z.B. das gegenseitige Vorstellen in 2er-Gruppen. Es ist also wichtig, den Einleitungsteil in seiner Bedeutung für den weiteren Verlauf der Gruppendiskussion nicht zu unterschätzen.
- Spontane Gedanken aufschreiben lassen. Bei Untersuchungsdesigns, die auch spontane Reaktionen erfordern (z.B. Konzepttests, Werbemitteltests), hat es sich als äußerst sinnvoll erwiesen, jeden Befragen zu bitten, seine persönlichen Eindrücke und Meinung in Stichworten zu Papier. Die Erfahrung zeigt, dass es den Teilnehmern hierdurch erleichtert wird, zu ihrer Meinung zu stehen; man vermeidet dadurch den Herdentrieb-Effekt („Ich denke dasselbe wie mein Vorredner.“).
- Und wenn’s gar nicht anders geht: Nichtbeachtung. Wenn sich im Laufe einer Gruppe zeigt, dass ein bestimmter Teilnehmer durch seine Art und seine Beiträge die Gruppe zu stark beeinflusst, funktioniert als letztes Mittel die ‚Bestrafung‘ durch Nichtbeachtung am besten. Interessanterweise passen sich diese Leute an und verstehen den Wink … was nicht ausschließt, dass sich der eine oder andere auch mal beleidigt zurückzieht. Aber das nimmt man gerne in Kauf, wenn dafür die Gruppe besser läuft.