Das Thema Datenschutz sowie das ‚Recht auf die eigenen Daten‘ ist innerhalb kürzester Zeit zu einem gesellschaftlichen Topthema geworden. Ganz direkt davon betroffen ist auch die Marktforschung. Eine offene Diskussion über die Zukunft des Umgangs mit Daten sowie des eigenen Selbstverständnis der Marktforschung als ‚Datenexperte‘ ist dringend notwendig.
Es ist offensichtlich, dass die Zukunft der Marktforschung sehr viel mit der Verantwortung und dem eigenen Selbstverständnis über den vertrauensvollen Umgang mit Daten und damit, wie wir uns als Marktforscher in diesem Umfeld positionieren, zu tun hat.
Viele Fragen – viel Unsicherheit
Für alle an einem Marktforschungsprojekt Beteiligten – Marktforscher, Auftraggeber und Teilnehmer – offenbaren sich bei der Diskussion über den Umgang und die Sicherheit von Daten in unterschiedlicher Priorität eine Reihe von Fragen:
- wie sicher sind Daten, die über den Globus ‘transportiert’ werden vor dem Zugriff durch Dritte
- wie und wo werden sie gespeichert
- was geschieht mit ihnen nach Abschluss eines Projektes?
Die Liste der Fragen ließe sich noch fortführen, z.B. um die Frage, welche Rechte an Daten abgegeben werden, wenn sie die Ländergrenzen passieren, sie bei einem bestimmten Anbieter gespeichert oder erhoben werden.
Wer garantiert, dass das gewonnene Wissen exklusiv nur von dem genutzt werden kann, der die Studie durchführt bzw. in Auftrag gegeben hat und wie stellt man sicher, dass Informationen und Daten von Teilnehmern wirklich vertraulich und sicher behandelt werden?
In der Praxis dürften Szenarien wie diese vertraut vorkommen: sensible Excel-Dateien mit Adressenlisten werden unverschlüsselt per Email verschickt (auch von Kunden), Ordner per Dropbox geteilt oder synchronisiert. Es geht dabei weniger um die Frage wie sicher bzw. wie ‚gefährlich‘ diese Art von Umgang mit Daten ist, sondern darum, wie wir diese Art von Umgang mit unserem Selbstverständnis als ‚Datenexperten‘ vereinbaren – denn was, wenn nicht Experten für Daten, sind wir als Marktforscher?
In dieser Frage Klarheit zu haben und vor allem auch Klarheit zu vermitteln betrifft ganz direkt die Glaubwürdigkeit eines Marktforschungsprojekts sowie der Marktforschung generell:
- Für den Auftraggeber, weil er vertrauliche Daten und exklusiv in seinem Auftrag erhobene Informationen/Daten in sicherer Hand wissen will
- Für den Teilnehmer an Studien, weil er Gewissheit haben will, dass seine Informationen nur im Rahmen des betreffenden Projekts genutzt werden
- Für den Marktforscher, weil er als Experte für Daten in einer besonderen Verantwortung für den Umgang mit eben diesen steht.
Digitales Exil
Während größere Unternehmen den Wert von Datenschutz mehr und mehr verstehen, wird m.E. eine Entwicklung auf Seiten der Teilnehmer an Marktforschungsstudien unterschätzt: nämlich, dass sich der Einzelne im Zuge einer immer größeren Ungewissheit darüber, was mit seinen Daten geschieht aus einer Art Abwehrhaltung heraus eine Art ‚digitales Exil‘ schafft, welches ‚unangreifbarer‘ und gegen Missbrauch geschützter, aber eben auch angepasster und austauschbarer ist, als wenn man sich in einem vertrauenswürdigen Rahmen ehrlich und vertraulich äußern würde. Wie valide können dann online durchgeführte/erhobene Untersuchungen sein?
In Zukunft muss intensiver und offensiver auf dieses Thema eingegangen werden: Qualität und Glaubwürdigkeit von Ergebnissen hängen von der ehrlichen Teilnahme an Studien ab und die Aufgabe muss sein, noch mehr den dafür idealen Rahmen zu schaffen
Anmerkung: Und muss man nicht auch die Frage stellen, ob der Stellenwert von persönlichen face-to-face Interviews in der derzeitigen Methodendiskussion etwas unterbewertet wird?
Nur Marktforschung, die auf Vertrauen basiert, schafft vertrauenswürdige Ergebnisse.
Glaubhaftes Handeln und ein gewissenhafter Umgang mit persönlichen Daten sind für die Zukunft umso mehr oberstes Gebot. Das ist mehr, als zu versichern, dass generierte Daten nicht an Dritte weitergeleitet oder zur Verfügung gestellt wird, sondern eher so etwas wie eine Art Kennzeichnungspflicht für Marktforschungsdaten, wie man sie von Lebensmitteln kennt: wo, woher, wohin, wie.
Pro-aktives Handeln
Wir müssen als Marktforscher allen Beteiligten pro-aktiv Lösungen und Wege vermitteln, dass mit Daten vertrauenswürdig umgegangen wird. Gegenüber dem Kunden, aber ganz besonders auch gegenüber potentiellen Teilnehmern an Marktforschungsuntersuchungen (Aktionen wie der ‚Tag der Marktforschung‘ u. ä. sind in diesem Zusammenhang sicherlich hilfreich).
Die Marktforschung muss ihre Souveränität zu behalten, unabhängig sein, unabhängig bleiben. Ich würde deshalb niemals raten, Marktforschungsprojekte über Social Networks wie Facebook durchzuführen. In vielen Fällen gibt man nämlich den Exklusivanspruch über erhobene Daten gleich mit ab und verliert die zuvor angesprochene Souveränität.
Hiervon würden im Endeffekt alle beteiligten Seiten profitieren:
- Der Auftraggeber, weil er sicher sein kann, dass Ergebnisse auf validen Daten basieren
- Der Teilnehmer, weil er seine Informationen und Daten in sicheren Händen weiß
- Die Marktforschung, weil sie sich von den Marktforschungsangeboten von Google und anderen Providern qualitativ absetzen und ihr Profil schärfen kann.
Soweit die eine, die offizielle Seite. Dann gibt es die andere, wenn man einen Blick in die sozialen Netzwerke dieser Welt wirft und sieht, wie offen und unbedarft mit privaten Daten umgegangen wird. Was ist also von dem öffentlichen Aufschrei zu halten? Kümmert die Leute die Sicherheit ihrer Daten wirklich?
Meine Antwort: dann erst recht ist es wichtig, dass die Marktforschung als Disziplin eine klare Haltung kommuniziert und damit zu einer moralischen Kompetenz in diesem sehr sensiblen Bereich heranwachsen kann.